Die Geschichte von Anna
Das Bilderbuch «Wenn Mama krank ist, brauche ich Hilfe» ist Bestandteil der Unterrichtsmaterialien für die Sensibilisierungsarbeit im Young Carers-Programm.
Interessierte Lehrpersonen können das Buch hier bestellen.
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Wenn Mama krank ist, brauche ich Hilfe
Das ist Anna. Anna ist sieben Jahre alt. Sie lebt mit ihrer Mutter, ihrem kleinen Bruder Max und ihrem Hund Leo zusammen in einer Wohnung. Der Vater lebt nicht mit der Familie. Sie haben es schön zusammen.
Eines Tages liegt die Mutter krank im Bett. Sie kann sich nicht mehr gut bewegen und spürt ein Kribbeln in den Beinen. Nach ein paar Tagen geht es ihr jedoch wieder besser und sie vergessen diesen Vorfall.
Doch mit der Zeit passiert es immer öfters, dass die Mutter sich für ein paar Wochen kaum bewegen kann und sie sehr müde ist. So übernimmt Anna immer mehr Aufgaben im Haushalt, um ihrer Mutter zu helfen.
Der Arzt sagt, dass Annas Mutter eine Krankheit hat und dass sie Medikamente nehmen muss. An den meisten Tagen kann die Mutter nicht mehr alleine aufstehen. Sie kann sich nur noch mit Stöcken fortbewegen und ist oft sehr müde.
Anna hilft ihrer Mutter täglich beim Aufstehen und packt im Haushalt mit an, da die Mutter dafür alleine nicht mehr genügend Kraft hat.
Seitdem hilft Anna zu Hause sehr viel. Sie steht am Morgen etwas früher auf und geht mit dem Hund Leo spazieren. Sie macht das Frühstück für ihren kleinen Bruder Max, für ihre Mutter und für sich selbst. Wenn der Hund Leo bellt, gibt Anna ihm Futter. Nach dem Essen stellt sie alle Teller und Tassen in die Spüle. Sie geht zusammen mit Max in die Schule.
Als sie am Mittag nach Hause kommt und in den Kühlschrank schaut, stellt sie mit Schrecken fest, dass dieser leer ist. Rasch macht sie sich auf den Weg, um einkaufen zu gehen. Sie kauft Teigwaren und ihre Mutter erklärt ihr, wie man sie kocht. Nach dem Mittagessen geht sie am Nachmittag wieder in die Schule.
Am Abend bereitet sie das Abendessen vor. Die Mutter erklärt ihr, wie es geht und was sie tun muss. Als Leo zu bellen anfängt, nimmt Anna ihn an die Leine und geht mit ihm eine Weile raus. Es tut Anna gut, draussen zu sein und mit Leo über die Felder zu rennen und mit ihm zu spielen. Zu Hause warten auf sie ein Spülbecken voller Geschirr und viele Hausaufgaben. Müde schläft sie spätabends über den Hausaufgaben ein.
Anna ist einerseits froh und stolz, dass sie ihrer Mutter helfen kann. Sie hat sie sehr gerne und hilft gerne zu Hause. Andererseits ist es für sie auch sehr anstrengend. Abends fällt sie müde ins Bett.
In gewissen Momenten, wenn Anna alleine ist, fühlt sie sich traurig. Manchmal ist ihr Herz schwer. Sie kann fast nie mehr mit Freundinnen abmachen und hat fast keine Zeit zum Lernen. Hinzu kommt, dass Anna sich grosse Sorgen um ihre Mutter macht. Sie hat Angst, dass es ihrer Mutter plötzlich noch schlechter geht und sie morgens nicht mehr aufstehen kann.
Anna muss auch oft in der Schule an ihre Mutter denken und ist dadurch nicht immer voll konzentriert. Wenn die Lehrerin fragt: « Anna, was ist los mit dir ? », dann sagt Anna: « Nichts. » Auch der Nachbarin oder ihrer Schulkameradinnen erzählt sie nichts davon. Niemand soll erfahren, dass sie zu Hause so viel hilft.
Eines Tages sprechen sie in der Schule über das Thema Sorgen. Anna hört aufmerksam zu. Die Lehrerin erklärt, dass jede Person einen Rucksack mit Problemen und Sorgen zu tragen hat. Doch niemand muss diesen Rucksack alleine tragen. « Überlegt euch, wem ihr euch anvertrauen könnt, wenn es euch nicht gut geht », meint die Lehrerin. « Eine Person, die ihr gerne habt und der ihr vertraut, kann euch weiterhelfen, wenn ihr nicht weiterwisst. Und vergesst nicht, auch die Schulsozialarbeiterin oder ich sind für euch da, wenn ihr reden möchtet. »
An diesem Abend denkt Anna lange über die Worte ihrer Lehrerin nach und entscheidet, dass sie mit jemandem reden will. Sie kann nicht mehr alles alleine schaffen.
Am nächsten Tag spricht Anna mit ihrem Götti, den sie nur selten sieht, weil er weit weg wohnt. Sie mag ihren Götti sehr und vertraut ihm. Sie erzählt ihm, wie es ihr geht. Anna erzählt von der Krankheit der Mutter und dass sie ihr sehr viel hilft.
Der Götti fragt Anna, ob er mit der Mutter über Annas Sorgen sprechen darf. Anna ist damit einverstanden. Sie hat sich nämlich auch schon überlegt, mit ihrer Mutter zu sprechen. Aber sie hat ein schlechtes Gewissen, weil ihr das Helfen manchmal zu viel wird. Auch wenn sie gerne hilft, kann sie nicht alles alleine machen. Und darum ist sie froh, wenn ihr Götti mit ihrer Mutter spricht.
Ein paar Tage später sagt die Mutter zu Anna: « Dein Götti hat mit mir geredet und wir sind uns einig, dass wir Unterstützung brauchen. Damit du weniger im Haushalt helfen musst, wird eine Haushaltshilfe kommen. Es tut mir leid, dass ich nicht gemerkt habe, dass es für dich zu viel ist und ich danke dir, dass du mir so viel hilfst. »
Eine Woche später klingelt es an der Wohnungstüre. Anna öffnet die Türe. Vor ihrer Tür steht eine Frau.
« Bist du Anna ? », fragt sie.
« Ja, das bin ich », sagt Anna.
« Ich bin Jolanda. Ich bin eure neue Haushaltshilfe und komme dreimal pro Woche, um euch bei der Hausarbeit zu helfen»,
meint sie weiter.
Jolanda putzt und kocht für die Familie und kauft auch ein.
Von diesem Tag an muss Anna weniger zu Hause helfen. Natürlich hilft sie immer noch mit vielen Dingen, denn alles kann Jolanda nicht übernehmen und sie kommt auch nicht jeden Tag. Doch Anna hat wieder mehr Zeit für sich. Sie hat wieder mehr Zeit, um ihre Hausaufgaben zu machen und mit ihren Freundinnen zu spielen.
Auch Annas Mutter hat durch die Hilfe wieder mehr Zeit, mit Anna zu kuscheln, ihr Geschichten zu erzählen und mit Anna über ihre Erlebnisse zu reden. Annas Herz wird leichter und sie ist wieder glücklich.
Impressum
Projektleitung:
- Madlaina Baselgia, Rotes Kreuz Basel
- Heidi Bühler, Rotes Kreuz Basel
Illustration:
- Charlotte Graf, BSB Medien
Gestaltung und Druck:
- BSB Medien
© Schweizerisches Rotes Kreuz Kanton Basel-Stadt, 2022